Öffentliche sexuelle Handlungen: Was ist erlaubt, was ist strafbar?

Im Alltag verschwimmen häufig die Grenzen zwischen gesellschaftlich akzeptierter Intimität und strafrechtlich relevanter Sexualität. Während öffentliches Küssen oder Umarmen längst sozial akzeptiert ist, stoßen andere Verhaltensweisen – etwa Masturbation im Park oder sexuelle Annäherung in öffentlichen Verkehrsmitteln – nicht nur auf Ablehnung, sondern können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Doch was ist in der Öffentlichkeit erlaubt – und ab wann droht eine Anzeige?

Sozialübliches Verhalten: Erlaubt und straffrei

Öffentliche Zuneigungsbekundungen wie Küssen, Händchenhalten oder kurzes Streicheln sind nicht strafbar, solange sie sich im Rahmen des gesellschaftlich Üblichen bewegen. Auch ein leidenschaftlicher Kuss oder körperliche Nähe in der Öffentlichkeit erfüllt keinen Straftatbestand, solange keine sexuelle Komponente im strafrechtlichen Sinne erkennbar wird.

Strafbare sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit

Strafrechtlich relevant wird es, wenn eine Handlung über sozial akzeptierte Nähe hinausgeht und sexuell motiviert ist. Maßgeblich ist § 183a StGB – Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer eine sexuelle Handlung öffentlich vornimmt und dadurch ein Ärgernis erregt.

Sexuelle Handlung

Dazu zählen körperliche Handlungen mit erkennbarem Sexualbezug (§ 184h StGB), wie etwa:

  • Masturbation
  • gezieltes Entblößen der Genitalien mit sexueller Motivation
  • orale oder genitale Berührungen in der Öffentlichkeit

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Fall des Bespritzens mit Sperma – ein häufig zitierter, jedoch juristisch differenziert zu betrachtender Sachverhalt:

In einem Urteil des AG Lübeck (Urt. v. 8.6.2011 – 746 Js 13196/11, BeckRS 2011, 19102) wurde ein Angeklagter verurteilt, der mittels einer Küchenspritze Sperma auf eine Frau gespritzt hatte. Das Gericht bewertete den Vorgang nicht als exhibitionistische Handlung (§ 183 StGB) oder als Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB), sondern allein als Körperverletzung (§ 223 StGB). Die Strafbarkeit ergab sich hier aus dem physischen Kontakt mit einer ekelerregenden Substanz, nicht aus dem sexuellen Kontext im Sinne der Sexualstraftatbestände.

Öffentlichkeit

„Öffentlich“ bedeutet, dass die Handlung von einer unbestimmten Vielzahl von Personen wahrgenommen werden kann – es genügt bereits die Möglichkeit der Wahrnehmung (vgl. BGHSt 11, 282). Öffentlich ist daher nicht nur der Stadtpark, sondern auch ein Auto mit offenem Fenster, sofern einsehbar.

Ärgernis

Ein tatsächliches „Ärgernis“ ist erforderlich: Die Handlung muss objektiv geeignet sein, das sittliche Empfinden zu verletzen, und bei mindestens einer Person real diesen Effekt hervorrufen. Wenn der Betrachter die Handlung bewusst aufsucht oder nicht als sexuell wahrnimmt (z. B. bei Kindern), fehlt es an diesem Merkmal.

Abgrenzung zu § 183 StGB (Exhibitionistische Handlungen)

§ 183 StGB richtet sich ausschließlich an Männer und erfordert eine Entblößung des primären Geschlechtsteils mit sexueller Motivation. Reine Ersatzhandlungen – wie etwa das Ejakulieren mithilfe eines Werkzeugs oder verdeckt – reichen nicht für eine Strafbarkeit nach § 183 StGB aus. Im Lübecker Urteil wurde dies ausdrücklich so entschieden: Die bloße Verwendung einer Spritze zur Verteilung von Sperma stellt keine Entblößung dar.

Nicht jede sexuelle Handlung ist strafbar – aber viele riskant

Küssen oder Umarmen in der Öffentlichkeit bleibt erlaubt – solange keine explizit sexuelle Komponente hinzukommt. Strafbar wird es dann, wenn eine sexuelle Handlung öffentlich wahrnehmbar ist und tatsächlich ein Ärgernis erzeugt wird. Auch wenn nicht jede Grenzüberschreitung zu einem Strafverfahren führt, sollte die Strafbarkeit im Zweifel geprüft werden, etwa im Rahmen anwaltlicher Beratung. Gerade bei ungewöhnlichen Verhaltensweisen – wie etwa dem gezielten Einsatz von Sperma oder anderen Körperflüssigkeiten – ist oft nicht Sexualstrafrecht, sondern etwa Körperverletzungsrecht einschlägig.