Rechtliche Bewertung von „Flitzer“-Aktionen und ähnlichen Phänomenen

Ob bei Fußballspielen, Konzerten oder öffentlichen Veranstaltungen – sogenannte „Flitzer“-Aktionen sorgen regelmäßig für mediale Aufmerksamkeit. Gemeint sind Personen, die sich (meist nackt oder nur leicht bekleidet) überraschend auf das Spielfeld oder eine Bühne begeben und dort kurzzeitig im Mittelpunkt stehen. Was aus Sicht des Publikums mitunter humorvoll erscheint, kann strafrechtlich erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Doch wie sind solche Aktionen juristisch einzuordnen? Droht eine Bestrafung nach § 183a StGB wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses?

Flitzer, harmloser Spaß oder strafbare Handlung?

Im rechtlichen Sinne ist ein „Flitzer“ zunächst kein fest definierter Begriff. Gemeint sind zumeist Personen, die sich öffentlich entkleiden oder teilweise unbekleidet in Erscheinung treten – häufig mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen. Die Beweggründe sind unterschiedlich: politische Statements, Wetten, Gruppenzwang oder der reine Adrenalinkick.

Rechtlich entscheidend ist jedoch nicht das Motiv, sondern die Frage, ob das Verhalten als öffentliche sexuelle Handlung einzuordnen ist und ein Ärgernis im Sinne des § 183a StGB vorliegt.

§ 183a StGB – Erregung öffentlichen Ärgernisses

Die Vorschrift des § 183a StGB stellt sexuelle Handlungen unter Strafe, die öffentlich vorgenommen werden und ein Ärgernis erregen. Anders als der Exhibitionismus nach § 183 StGB setzt § 183a kein bestimmtes Geschlecht voraus – er kann also Männer und Frauen gleichermaßen erfassen.

Die Tatbestandsmerkmale sind im Einzelnen:
  1. Sexuelle Handlung (§ 184h StGB): Erforderlich ist eine körperliche Handlung mit erkennbarem Sexualbezug. Reines Nacktsein genügt grundsätzlich nicht. Die Handlung muss eine gewisse sexuelle Qualität haben – etwa Masturbation, gezieltes Präsentieren der Genitalien oder ein sexueller Kontext der Entblößung.
  2. Öffentlichkeit: Die Handlung muss vor einer unbestimmten Vielzahl oder einer nicht durch persönliche Beziehung verbundenen Mehrzahl von Personen wahrgenommen worden sein oder potenziell wahrgenommen werden können (vgl. BGHSt 11, 282). Dabei reicht die bloße Möglichkeit der Wahrnehmung durch Dritte, etwa in einem Stadion oder auf einer Straße.
  3. Ärgernis: Die sexuelle Handlung muss objektiv geeignet sein, das sittliche Empfinden der Allgemeinheit zu verletzen, und diesen Erfolg tatsächlich bei mindestens einer Person herbeiführen. Maßgeblich ist also nicht, ob sich jemand belustigt oder provoziert fühlt, sondern ob das Verhalten als grob anstößig empfunden wird.

Wann ist ein „Flitzer“ strafbar?

Ein Flitzer wird nur dann strafbar nach § 183a StGB, wenn seine Handlung als sexuell konnotiert einzuordnen ist und ein öffentliches Ärgernis verursacht. Das bloße Nacktsein – ohne sexuelle Handlung – reicht regelmäßig nicht aus. In der Praxis wurde etwa das spontane Nacktlaufen bei Fußballspielen nicht automatisch als strafbare sexuelle Handlung gewertet, sofern kein expliziter sexueller Bezug bestand.

Auch Gerichte stellen zunehmend darauf ab, ob die Entblößung ein sexuelles Element enthält oder lediglich als Provokation oder Gag ohne sexuelle Intention erfolgt (vgl. OLG Köln NJW 1970, 670; BGH NJW 1969, 853). Der subjektive Vorsatz zur Ärgerniserregung muss ebenfalls gegeben sein. Wer sich unbeobachtet glaubt oder keine sexuelle Wirkung erzielen will, handelt in der Regel nicht strafbar.

Andere Rechtsfolgen außerhalb des Strafrechts

Auch wenn ein Flitzer im strafrechtlichen Sinn nicht wegen § 183a StGB belangt wird, drohen dennoch zivilrechtliche und ordnungsrechtliche Konsequenzen:

  • Hausverbote in Stadien oder öffentlichen Einrichtungen
  • Bußgelder wegen Ordnungswidrigkeiten (z. B. Störung öffentlicher Veranstaltungen)
  • Schadensersatzforderungen, wenn Veranstaltungen unterbrochen wurden
  • Polizeiliche Maßnahmen (Identitätsfeststellung, Platzverweise)

Bei prominenten Sportveranstaltungen ist zudem mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs oder gar mit einem Einsatzkostenerstattungsbescheid für Polizeieinsätze zu rechnen.

Nicht jede Nacktheit in der Öffentlichkeit ist strafbar – erst recht nicht jede Flitzer-Aktion. Entscheidend ist der sexuelle Bezug der Handlung sowie die tatsächliche Erregung eines öffentlichen Ärgernisses. Die Strafbarkeit nach § 183a StGB greift nur in Ausnahmefällen. Dennoch gilt: Wer als Flitzer auftritt, handelt nicht risikofrei. Neben strafrechtlichen Ermittlungen drohen empfindliche zivilrechtliche Konsequenzen. Betroffenen ist dringend zu raten, keine Angaben zur Sache zu machen und frühzeitig strafrechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.