Exhibitionismus bei Frauen: Strafbarkeit und rechtliche Grauzonen
Während der klassische Exhibitionismus nach § 183 StGB ausschließlich Männer betrifft, regelt § 183a StGB die Strafbarkeit öffentlicher sexueller Handlungen, unabhängig vom Geschlecht. Damit stellt sich die Frage: Können sich auch Frauen strafbar machen, wenn sie sich öffentlich entblößen oder sexuell provozierend verhalten? Die Antwort: Ja – allerdings mit juristischen Feinheiten und Unsicherheiten.
Wann ist das Verhalten strafbar?
§ 183a StGB kriminalisiert sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit, sofern diese ein öffentliches Ärgernis hervorrufen. Anders als bei § 183 StGB kommt es nicht auf das Geschlecht an. Auch Frauen können Täterinnen sein.
Sexuelle Handlung im Sinne des Gesetzes meint nach § 184h StGB körperliche Vorgänge mit erkennbarem Sexualbezug – etwa Masturbation, orale Handlungen oder gezielte Entblößungen mit sexueller Intention. Entscheidend ist, dass die Handlung öffentlich erfolgt und objektiv geeignet ist, ein Ärgernis zu erregen.
Was bedeutet „öffentlich“?
Der Öffentlichkeitsbegriff in § 183a StGB ist nicht identisch mit dem allgemeinen Strafrechtsverständnis. Entscheidend ist, dass eine unbestimmte Vielzahl oder eine bestimmte, nicht durch persönliche Beziehungen verbundene Mehrzahl von Personen die Handlung wahrnehmen konnte – oder zumindest hätte wahrnehmen können (vgl. BGHSt 11, 282; AG Lübeck JuS 2012, 179).
Es genügt also, wenn etwa in einem Park oder auf einer Straße eine sexuelle Handlung vorgenommen wird, auch wenn niemand konkret zusieht – solange das Risiko der Wahrnehmbarkeit besteht. Umgekehrt liegt keine Öffentlichkeit vor, wenn der Täter (oder die Täterin) effektive Maßnahmen trifft, um die Wahrnehmung durch Außenstehende zu verhindern (BGH NJW 1969, 853).
Was ist ein „öffentliches Ärgernis“?
Strafbar ist die Handlung nur, wenn sie tatsächlich ein Ärgernis hervorruft – also das sittliche Empfinden mindestens einer anwesenden Person objektiv verletzt. Dabei genügt es nicht, dass jemand theoretisch Anstoß nehmen könnte. Es muss tatsächlich zur Empörung kommen (vgl. RGSt 51, 167).
Kein Ärgernis liegt etwa vor, wenn der Beobachter die Handlung freiwillig sehen will – etwa im Rahmen erotischer Darbietungen in Stripclubs. Auch Kinder, die die sexuelle Bedeutung nicht erfassen, können kein taugliches „Ärgernissubjekt“ sein (BGH NJW 1970, 1855).
Welche Rolle spielt der Vorsatz?
§ 183a StGB ist ein Erfolgsdelikt mit Vorsatzerfordernis. Der Täter muss nicht nur wissen, dass er sich öffentlich sexuell betätigt (bedingter Vorsatz reicht aus), sondern auch wissentlich oder absichtlich ein Ärgernis hervorrufen wollen.
Fehlt es an dieser inneren Haltung – etwa weil jemand sich unbeobachtet glaubt oder sich bemüht, nicht aufzufallen – liegt keine strafbare Handlung vor. Auch Prostituierte oder deren Freier erfüllen regelmäßig nicht die subjektiven Anforderungen, solange sie Maßnahmen zur Wahrung der Diskretion treffen (vgl. Lackner/Kühl/Heger, § 183a Rn. 4).
Relevanz für Frauen: Die Strafbarkeitslücke des § 183 StGB
Der Exhibitionismus-Paragraf § 183 StGB ist traditionell auf Männer beschränkt. Weibliches exhibitionistisches Verhalten – etwa das Entblößen der Brust in sexueller Absicht – kann daher nur über § 183a StGB verfolgt werden. Hier liegt eine rechtliche Grauzone, insbesondere wenn das Verhalten nicht eindeutig sexuell intendiert ist oder keine Öffentlichkeit im strafrechtlichen Sinne vorliegt.
Strafbar ist nicht jede Nacktheit
Nicht jede freizügige oder provokante Handlung ist strafbar. Entscheidend ist:
- Sexuelle Handlung mit erkennbarem Sexualbezug
- Öffentlichkeit im Sinne potenzieller Wahrnehmbarkeit durch Dritte
- Tatsächliches Ärgernis bei mindestens einer Person
- Subjektiver Vorsatz, ein solches Ärgernis zu erregen
Für Betroffene – unabhängig vom Geschlecht – gilt: Keine Aussage gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft ohne anwaltliche Beratung. Die rechtlichen Abgrenzungen sind komplex und erfordern eine professionelle strafrechtliche Einordnung.