Exhibitionistische Handlungen oder Erregung öffentlichen Ärgernisses

Für Betroffene eines Verfahrens wegen exhibitionistischer Handlungen (§ 183 StGB) oder Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB) ist es entscheidend, die Unterschiede beider Tatbestände zu verstehen. Dieser Artikel erläutert praxisnah, welche Tatmerkmale erfüllt sein müssen, welche Schutzgüter im Vordergrund stehen und welche Verfahrensfolgen drohen.

§ 183 StGB – Exhibitionistische Handlung

Die Vorschrift stellt das Vorzeigen des entblößten männlichen Gliedes unter Strafe (BeckOK StGB/Ziegler, 65. Ed. 1.5.2025, StGB § 183). Geschützt wird das individuelle Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung; das öffentliche Interesse steht nicht im Vordergrund (Fischer/Fischer Rn. 2; LKH/Heger Rn. 1).

Eine strafbare exhibitionistische Handlung setzt voraus, dass der Täter sein entblößtes männliches Glied einer anderen Person gegenüber vorzeigt – ohne deren Einverständnis, in körperlicher Gegenwart und mit direktem Vorsatz. Das Opfer muss dadurch Unlustgefühle wie Ekel, Scham oder Schrecken erleben (BeckOK StGB/Ziegler, 65. Ed. 1.5.2025, StGB § 183 Rn. 5). Anders als bei § 183a StGB genügt hier bereits jede einzelne Person als Beobachter, wenn der Täter weiß, dass sie den Vorgang sehen kann. Ein „Kunstpenis“ fällt nicht unter § 183, sondern allenfalls unter § 183a (LG Koblenz NStZ-RR 1997, 104).

Die Strafbarkeit nach § 183 StGB ist an ein wirksames Strafantragsverfahren gebunden (§ 77 StGB) oder an ein besonderes öffentliches Interesse der Staatsanwaltschaft (BeckOK StGB/Ziegler, 65. Ed. 1.5.2025, StGB § 183 Rn. 15).

§ 183a StGB – Erregung öffentlichen Ärgernisses

§ 183a StGB zielt auf die öffentliche Belästigung durch sexuelle Handlungen, unabhängig vom Geschlecht des Täters. Geschützt wird das allgemeine Interesse an öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit, nicht nur das individuelle Sexualselbstbestimmungsrecht (Fischer/Fischer Rn. 2; BeckOK StGB/Ziegler, 65. Ed. 1.5.2025, StGB § 183a Rn. 2).

Tatbestandlich muss der Täter eine „sexuelle Handlung“ in Gegenwart eines unbestimmten oder nicht durch persönliche Bindungen verbundenen Personenkreises vornehmen (BeckOK StGB/Ziegler, 65. Ed. 1.5.2025, StGB § 183a Rn. 3–4). Öffentlich ist die Handlung, wenn sie von Passanten, in Gaststätten oder Verkehrsmitteln wahrgenommen werden kann (BGHSt 11, 282). Unzuchtliche mündliche oder schriftliche Äußerungen genügen nicht. Erforderlich ist außerdem, dass mindestens eine Person unmittelbar Unlust oder Ärgernis empfindet; spätere Berichte oder kollektive Empfindungen reichen nicht aus.

Einwilligung des Betroffenen oder das Vorliegen einer geschlossenen Gesellschaft (z. B. Verein, geschlossene Veranstaltung) schließen die Strafbarkeit aus. Der Täter muss mit dem Vorsatz handeln, Ärgernis zu erregen, oder sicher wissen, dass dies geschieht (BeckOK StGB/Ziegler, 65. Ed. 1.5.2025, StGB § 183a Rn. 6).

Wesentliche Unterschiede im Überblick
  • Tatobjekt: § 183 StGB schützt primär das individuelle Sexualselbstbestimmungsrecht des Einzelnen; § 183a StGB das öffentliche Ruhe- und Sittlichkeitsgefühl.
  • Tatmittel: § 183 StGB erfasst ausschließlich das Vorzeigen des entblößten männlichen Gliedes in körperlicher Gegenwart; § 183a StGB jede sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit.
  • Beobachterkreis: Bei § 183 StGB genügt eine einzelne Person, die unmittelbar Unlust empfindet. Bei § 183a StGB muss die Handlung für einen unbestimmten oder größeren, nicht persönlich verbundenen Personenkreis wahrnehmbar sein.
  • Verfolgungsvoraussetzungen: § 183 StGB setzt einen Strafantrag oder besonderes öffentliches Interesse voraus; § 183a StGB verfolgt das Generalschutzinteresse und ist stets verfolgbar.

Die genaue Abgrenzung von § 183 und § 183a StGB beeinflusst sowohl den Verfahrensgang als auch die Verteidigungsstrategie erheblich. Eine fundierte Kenntnis der Tatbestandsmerkmale, der Verfolgungsvoraussetzungen und der prozesstaktischen Optionen ist für eine effektive Verteidigung unerlässlich. Betroffene sollten frühzeitig spezialisierten Rechtsrat im Sexualstrafrecht einholen, um ihre Rechte wirkungsvoll zu wahren.